Roadmovie durch eine Grauzone |
Von Reinhold RühlDrevermann? Wie bitte? Als ich bei der Recherche zu der ZDF-Dokumentation „Wunderheiler“ auf den Namen aufmerksam wurde, griff ich sofort zum Brockhaus. Was hat der ebenso bekannte wie umstrittene katholische Theologe und Psychotherapeut mit jenen Zeitgenossen zu tun, die vorgeben, Menschen per Handauflegen heilen zu können? Irgendwie lag der Schluß nah: Moraltheologe - Psychotherapeut - Handauflegen! Hatte nicht etwa schon Jesus Christus vor 2000 Jahren...? Nein, die Enzyklopädie klärte den Irrtum schnell auf. Der Name klingt nur ähnlich. Der Theologe heißt Drewermann, Eugen. Der Handaufleger: Drevermann, Rolf. Nicht mal verwandt sind die beiden. Dennoch ist der letzte mindestens so bekannt wie der erste. Geistheiler mit PressemappeDas geht aus der Pressemappe hervor, die vom „Büro Drevermann“ in Warendorf bei Köln gerne an Journalisten verschickt wird. Diese trägt den Titel „Pressespiegel 1989 - 1995“, ist etwa so dick wie das Kölner Telefonbuch und repräsentativ in dunkelblaues Leinen eingebunden. Die Sammlung beginnt mit jenem Artikel der Illustrierten Quick, der Ende 1989 erschien und den ehemaligen Koch und Kneipenbesitzer schlagartig bekannt machte. Titelzeile: „Seine Hände vollbringen Wunder“. Es folgen hunderte von Berichten über die wundersame Tätigkeit Drevermanns. Zumeist von Blättern, die große Schlagzeilen bevorzugen. Als 1993 ein ehemaliger FDP-Minister die Hand über Drevermann hielt, der wegen Verstosses gegen das Heilpraktikergesetz zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt wurde, nahmen auch jene Zeitungen von Drevermann notiz, die gerne als meinungsbildend bezeichnet werden. Nun also auch das ZDF. Von Anfang an war klar, was ich nicht wollte: Den Film in die Sammlung jener Berichte einordnen zu lassen, die etwa so beginnen: „Seine Erfolge sind verblüffend...“ oder „Unfassbar, ich bin wieder gesund ...“. Ich wollte weder beweisen (was sowieso nicht möglich ist), dass die sogenannte Geistheilung funktioniert, noch Menschen verunglimpfen, die an übersinnliche Phänomene glauben. Mit diesem Vorsatz reisten wir nach Ibiza. Im Team Kameramann Ingo Witte und Tonmann Alexander Mavrodin. Wir begleiteten eine Reisegruppe von 30 schwerkranken Menschen auf die spanische Ferieninsel, wo Deutschlands bekanntester Handaufleger heute die Hand aufhält: 1.400 Mark kassiert Drevermann für seine Dienste. Zuzüglich Reise- und Hotelkosten. Heilstrahlen im SchieferstollenDrevermann zählt heute zu den Spitzenverdienern der Geistheilerszene, deren Zahl im deutschsprachigen Bereich bei etwa 10.000 liegt. Sein Einkommen dürfte weit über dem Niveau einer gutgehenden Facharztpraxis liegen. Das gilt auch für andere Handaufleger, die wir mit der Kamera besuchen.
Unser „Roadmovie“ durch die Grauzone, in der sich sowohl windige Geschäftemacher angesiedelt haben, als auch seriöse Heilpraktiker mitmischen, beginnt in Holland. Wir dokumen-tieren die spektakuläre „Massenheilung“ einer ehemaligen Ballett-Tänzerin. In Frankfurt drehen wir in der Wohnzimmerpraxis eines griechischen Wunderheilers. Wir klettern in einen stillgelegten Schieferstollen in Hochsauerland. Hunderte von Kranken suchen dort Tag für Tag Heilung. Mittlerweile das „deutsche Lourdes“. Medienberichte wecken HoffnungSpätestens hier wird uns deutlich: Das „Geschäft mit der Hoffnung“ funktioniert nur unter tatkräftiger Mithilfe der Medien. Gäbe es nicht jene Berichte über angeblich „unerklärbare Heilungen“, dann würde der stillgelegte Schieferstollen von Nordenau weiterhin als Weinkeller benutzt. Und das danebenliegende Hotel wäre immer noch so schlecht belegt, wie vor „Entdeckung“ der wundersamen Heilkräfte. Die Medien wecken Hoffnungen. Besonders bei Kranken, die sich an jeden Strohhalm klammern. Da machen selbst kritische Berichte keine Ausnahme. Auch nicht unser Film. „Irgendwas wird schon dran sein“, mag sich mancher Zuschauer denken, der die ZDF-Dokumentation einschaltet. Dennoch zeigen wir auch Menschen, die kaum eine Chance hätten, in Drevermanns „Pressespiegel“ auch nur erwähnt zu werden. Enttäuschte Kunden von Geistheilern, verzweifelte Menschen, denen nach der nicht erfolgten „Wunderheilung“ nun auch der letzte Strohhalm der Hoffnung entglitten ist. Und was sagen seriöse Wissenschaftler? Zum Beispiel, dass allein der Glaube des Kranken an die Wirksamkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen Linderung von Schmerzen oder gar Heilung zur Folge haben kann. Als Placebo-Effekt ist dieses Phänomen in der Medizin hinlänglich bekannt, wenn auch bisher kaum erforscht. Ärzte setzen diese Erkenntnis in der Therapie gezielt ein. Das wußten bereits die Autoren der ersten überlieferten Wunderheilung. Nachzulesen in der Bibel: „Dein Glaube hat Dich gesund gemacht“. |
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